Cementerio de Trenes

Der Anblick des rostigen Stahls, der sich gegen den strahlend blauen Himmel abhebt, hat etwas Erhabenes. Hier, in der sengenden Hitze von Uyuni im Departamento Potosí in Bolivien, trifft die Geschichte auf die satte Leinwand der Natur. Die alte Lokomotive vor mir scheint fast wie ein Relikt aus einer längst vergessenen Epoche. Die Frontseite des Zuges, verziert mit eindrucksvollen Aztekenmustern, erzählt von einer Kultur, die vor Jahrhunderten blühte. Im Hintergrund erhaschen wir einen Blick auf die endlose Weite der trockenen Ebene, die dazu einlädt, das Geheimnisvolle dieser verlassenen Stelle zu ergründen.

Die "Cementerio de Trenes", zu Deutsch der Friedhof der Züge, ist ein Ort, der die Phantasie beflügelt. Hier stehen die dampfenden Kolosse aus einer längst vergangenen industriellen Ära still und lassen die Gedanken wandern. Dieses surreale Freiluftmuseum bietet uns ein Panoptikum aus Stahl und Eisen, das inzwischen mit Streetart ein neues visuelles Leben erhalten hat – der rustikale Charme der Vergänglichkeit trifft auf die moderne, rebellische Kunst. Graffiti-Künstler haben den alten Wagons durch ihre Gemälde und Tags neuen Ausdruck verliehen, und die Kombination aus Verfall und Kreativität macht diesen Ort einzigartig.

Die Fotografie habe ich mit einer Brennweite von 27mm aufgenommen und mit einer Blende von f/8 die Schärfe bewusst so gesetzt, dass sowohl die Details des vorderen Zuges als auch die Weite der Umgebung zur Geltung kommen. Die Perspektive spielt eine zentrale Rolle in der Wahrnehmung und Emotion dieses Bildes – sie führt die Augen entlang der Lokomotive direkt in die Tiefe des Horizonts und erweckt eine stille Dynamik in der Erstarrung dieser Metallriesen.

Als ich durch den Sucher meiner Kamera blickte, spürte ich eine Mischung aus Ehrfurcht und Neugier. Es war der Wunsch, den Kontrast zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen menschlicher Schöpfung und natürlicher Einfachheit festzuhalten. Die Entscheidung, gerade diesen Winkel zu wählen, entstand aus dem Impuls heraus, dem Betrachter das Gefühl zu geben, inmitten dieser gigantischen Überreste zu stehen und die Stille zu spüren, die diesen Ort umgibt.

Der "Cementerio de Trenes" symbolisiert für mich nicht nur den Stillstand, sondern auch die ständige Veränderung. Während die Natur langsam das Eisen zurückfordert, eröffnet jede Schicht aus Rost und Farbe eine neue Ebene der Interpretation. In dieser Umgebung verwischt die Grenze zwischen dem, was wir als natürlich und das von Menschenhand Geschaffene verstehen – eine unvergessliche Begegnung mit der Vergänglichkeit und der Schönheit des Verfalls.


Dieser Beitrag ist Teil der Fotoreihe Bolivia von Dr. Alexander Motzek. Erkunde hier weitere Fotografien dieser Kollektion.

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